Die weiße Ratte

[nobodyknows]

Ich habe gerade in einem anderem Thread meinen heutigen Traum aufgeschrieben, aber wenn ich schon mal hier bin, schreibe ich gleich von einem wiederkehrenden Traum aus meiner Kindheit. Ich hatte diesen Traum dutzende Male im Alter von 8 bis 14 Jahren, danach nur noch sehr selten. Er geht mehr in die Richtung Albtraum, zumindest fühlte es sich nach dem Aufwachen immer so an, ich weiß leider auch nicht mehr viel davon, aber ich erzähle mal:

Es beginnt alles damit, dass ich mit meinem Vater (den ich in real vielleicht ein Mal im Jahr sehe) in ein Hotel irgendwo am Meer einziehe. Ich habe eine weiße Ratte dabei, sie ist eigentlich mein bester Freund in dem Traum. Plötzlich bebt die Erde, das Nächste was ich sehe ist, dass ich vor einem Trümmerhaufen stehe, was davor noch das Hotel war. Meinen Vater sehe ich nirgens, das interessiert mich aber auch gar nicht, denn ich beginne verzweifelt meine weiße Ratte zu suchen. Irgendwo in den Trümmern finde ich sie dann, als ich sie hochhebe und sie streicheln will, fällt ihr plötzlich der Schwanz ab. Ich schreie und wache auf.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich jedesmal geweint habe, wenn ich nach diesem Traum aufwachte, kann aber auch nicht genau sagen warum. Bis heute weiß ich nicht, was der Traum zu bedeuten hatte, aber ich denke noch manchmal daran. Habt ihr Ideen, wie man das deuten könnte?

[Picadora]

Hey nobodyknows,

Ratten im Traum symbolisieren häufig kleinere, wiederkehrende Probleme, die am inneren Frieden des Träumenden 'nagen'.

Nach Deinem Traumbild klingt es so:

immer wenn eigentlich eine Ruhe- oder Erholungsphase bei Dir war (eben so wie ein Urlaub im Hotel am Meer sein sollte), machten sich in Deinem Kopf (oder Verstand) - dargestellt durch Deinen Vater im Traum - plötzlich 'nagende' Sorgen breit (die Ratte). Vielleicht führte dies dann auch zu Streitigkeiten in der Familie oder unter den Geschwistern (dafür kann das Erdbeben stehen). Sodass Du anstatt z.B. Ferien oder so genießen zu können, immer wieder anstelle dem erwarteten schönen Verlauf, eben vor einem Art 'Trümmerhaufen' (Streit etc.) gesessen hast.
Möglicherweise hattest Du auch Pläne irgendwas zu tun, was Dir eigentlich Spaß bringen sollte, doch das hat dann aus irgend einem Grund nicht geklappt (oder Du bist wütend deshalb geworden, etc.). Dafür kann das Erdbeben auch stehen.

Kann auch sein, dass früher bei Euch zuhause - an Feiertagen z.B. - immer Streit ausgebrochen ist u. der Familiensegen schief hing, so hast Du vielleicht tief in Dir abgespeichert, dass man dem lieben Frieden nicht trauen kann, da immer was schreckliches oder Unschönes passiert. Diese 'Gewohnheit' scheint Dir so vertraut geworden zu sein, dass Du Dich ohne sie wie verloren fühlst (weswegen Du die Ratte suchst).

Das mit dem Schwanz abfallen kann entweder andeuten, dass Du die Sorgen nach und nach los geworden bist - oder dass sie ihre Kraft über Dich verloren haben.

Alles ein wenig abhängig davon, wie Deine Kindheit verlaufen ist u. wie es in der Familie so ablief.

viele Grüße
Pica

[ichisichis]

Hallo Nobodyknows und Traumdeuter,
mich interessiert, warum die Ratte weiß war. Das hat doch sicher etwas zu bedeuten. Weiß verbinden wir immer mit Reinheit, Unschuld, Klarheit. Die weiße Ratte hat vielleicht auch eine gute/positive Bedeutung? Auch muss die Ratte nicht für nagende Sorgen stehen. Je nachdem wie dein Verhältnis zu Ratten ist oder früher war, kann es für dich auch ganz anders besetzt sein. Manche haben Ratten als Haustiere und sie sind äußerst schlau und lernfähig.
Vllt hat da ja noch jemand eine Idee zu?

[Picadora]

Hey ischisichis,

tatsächlich ist es so, dass meiner Erfahrung nach jedes Traumsymbol mehr als eine Bedeutung hat. Traumsymbole oder Bilder sind eine äußerst komplexe Angelegenheit. Doch um irgendwie einen Traum zu fassen, und hier eine halbwegs verständliche Aussage machen zu können, muss ich mich eben erstmal festlegen, und zwar auf das, was ich bezogen auf den gesamten Traumkontext als am Wahrscheinlichsten erachte.
Je mehr ich von dem Träumenden u. der Situation erfahre, um die es geht, und je mehr hilfreiche Assoziationen mit dazugeschrieben werden, umso eher wird dann auch ein Bild oder ein Symbol greifbar u. verständlich. Dennoch bleibt fast immer eine gewisse Vieldeutigkeit.

Weiß kann neben Unschuld, Reinheit oder Klarheit genauso auch Leere (oder Neubeginn usw. usw.) bedeuten. Leere z.B. ist aber auch schon wieder nicht eindeutig zu verstehen - für manche Menschen ist Leere kaum ertragbar, andere finden sie gut oder entspannend. Leere kann aber auch im Sinne von 'Ruhe (vor dem Sturm)' verstanden werden usw. usw.

Entsprechend bei der Ratte. Es ist richtig, dass Ratten auch schlaue Tiere sind. Und ich hatte auch die Assoziation 'die Ratten verlassen das sinkende Schiff' (was ihre Schlauheit verdeutlicht) - doch da im obigen Traum die Ratte unter den Trümmern gefunden wurde, war sie wohl in diesem Fall nicht schlau (oder schnell) genug, um das Weite zu suchen, bevor die Erde bebte.

Letztlich ist es ja ein Kindheitstraum, und sicher steht die Ratte hier nicht nur für die kleinen Sorgen der Träumerin, sondern verkörpern auch einen Anteil ihrer Instinktnatur. Nur um dazu genaueres sagen zu können (oder die viel spannendere Frage, warum der Schwanz dann abfällt, beantworten zu können), benötige ich einfach mehr Hintergrundsinfos.

Du hast allerdings auf etwas Wichtiges hingewiesen bei Deinen Fragen oder Anregungen: Es reicht eben meist nicht zum gesamten Traumverständnis, wenn man lediglich einzelne Symbole u. deren mögliche Bedeutung nachschlägt. Das einzelne Symbol muss immer im gesamten Zusammenhang, d.h. Traumverlauf gesehen werden.

Doch ohne Hilfe des Träumenden bleibt es eben oft bei einseitigen oder eher vagen Vermutungen.

Grüße Pica

[Picadora]

kleiner Nachtrag zum Rattenschwanz:

eben als ich auf ein anderes post geantwortet habe, kam mir plötzlich eine Assoziation zum Rattenschwanz, die ich - jedenfalls bewußt - bislang nicht hatte: ... dort wollte ich nämlich schreiben: das zieht einen Rattenschwanz nach sich.

Hier im Traum ist aber nun der Rattenschwanz am Ende abgefallen, sodass ich - umso mehr - meine intuitive obige Deutung unterstreichen würde: was auch immer da bei der Träumerin abgelaufen ist, in der Kindheit, über einen gewissen Zeitraum, hat eben keinen Rattenschwanz nach sich gezogen.

Das waren anscheinend immer nur kurze Phasen (von Streit, Zusammenbrüchen... was auch immer), die immer wieder endeten, ohne dass daraus größere (oder tiefere oder dauerhaftere) 'Schäden' entstanden sind. Vielleicht waren es eben 'völlig normale' Entwicklungs-Schwierigkeiten, die sie so verarbeitet hat. Entsprechend hörten diese Träume ja dann auch wieder auf, als sie da durch war (also die nötige Reife u. Entwicklung vollzogen hat u. diese Schwierigkeiten für sie aufhörten).

Vielleicht unwichtig - ich fand es nur spannend u. hab es deshalb gepostet.

[ichisichis]

vielen Dank für deine Erklärungen, fand ich sehr hilfreich (um besser zu verstehen) und faszinierend.
GLG