Hallo,
ich war ein Autofahrer, der mit überhöhter, größtmöglicher Geschwindigkeit rücksichtslos eine Autobahn entlang raste und andere Autos riskant abdrängte – bis es mich selbst von der Fahrbahn schleuderte, wobei ich beim Aufprall aus dem offenen Dachfenster meines gerade sich zerstauchenden Autos weit hinaus geschleudert wurde. Dort oben in der Luft wuchsen mir plötzlich Flügel: Vogelflügel, Ikarusflügel, Engelsflügel.
So staunte ich, bis ich mich Stück für Stück schrumpfend ganz in ein fliegendes Tier verwandelt hatte. Als wütende Hummel sauste ich nun über der Autobahn entlang, unter mir die metallenen Fahrzeuge. Voller Bosheit suchte ich ein Opfer und fand es in einem Motorradfahrer, dessen Geschlecht unter der Motorradkleidung nicht zu erkennen war, vielleicht eine Frau. Ich stach ihr in den Nacken, in die einzig freie Stelle zwischen Helm und Motorradjacke. Der unerwartete Schmerz warf sie aus der Bahn, sie donnerte gegen die Leitplanke, der Aufprall trennte ihr den Kopf vom Rumpf, die Fahrzeug- und Leichenteile flogen durcheinander. Mir, der bösen Hummel, erfüllten diese Bilder das blutrünstige Herz.
Doch die himmlische Befriedigung hielt nicht lange an, da spürte ich meinen Vernichtungsdurst genauso stark als wie zuvor. In einem Auto saß ganz hinten ein großer Hund. Sein Fell war von einem grau und braun schmutzig durchfärbten Weiß. Wenn ich ihn stäche, dann spränge er wild durchs Auto und der Fahrer verlöre die Kontrolle über das Steuer und es käme zu einem schlimmen Unfall und ich hätte alle drei getötet: den Fahrer, seine Beisitzerin und den Hund! So flog ich durch das offen stehende Fenster der hinteren linken Seitentür und stach den großen Hund von hinten in den Nacken. Dieser jaulte gepeinigt auf.
Der Hund war ich - und ich schnappte wütend mit dem Maul nach der Hummel und hatte sie, die frech um mich herumflog, um mich ein zweites Mal zu stechen, prompt erwischt. Das hatte sie im Leben nicht erwartet und in verzweifeltem Todeskampf stach sie mich ins Zahnfleisch eines meiner linken, oberen Backenzähne. Im nächsten Moment hatte ich sie zermalmt. Der Schmerz der beiden Hummelstiche aber machte mich wahnsinnig! Ich dummer Hund schaffte es irgendwie, den Hebel der rechten hinteren Autotüre herunterzudrücken - und mit einem Satz war ich nach draußen in die Freiheit gesprungen und über die Leitplanke mitten in die Natur. Ich kam auf eine wunderschöne, naturbelassene, über und über mit bunten Blumen bewachsene Wiese, eine große, weite Frühlingswiese. Am Ende stand einsam ein kleines Häuschen, aus dem soeben ein altes Hutzelweib hinaus getreten kam.
Die alte Hexe war ich. - Der Hund sollte mich nicht bemerken, nicht wissen, was ich im Schilde führte. Ich bereitet ein leckeres Fressen für ihn, mischte aber tödliches Gift hinein. Der große Hund kam arglos direkt auf mein Haus zu gedackelt. Dort angekommen stellte es sich als wirklich sehr leutselig heraus, das dumme Vieh. Erst streichelte ich ihn ausgiebig, wovon er kaum genug kriegen konnte, dann gab ich ihm einem großen, fetten Knochen zum Nagen und klares Wasser zu trinken. Als ich mir seines völligen Vertrauens sicher war, reichte ich ihm den Napf vergifteten Hundefraßes. Er schlang es mit mächtigem Appetit hinunter, doch dann verkrampfte sich sein Magen und er jaulte noch kurz auf, um alsbald tot umzufallen. Ganz steif lag er auf dem Rücken da, die Beine senkrecht in den Himmel gestreckt. Ich packte ihn an einem seiner Hinterbeine und schleifte ihn wie einen Sack zu einer nah gelegenen, bereits ausgehobene Grube, in die ich ihn völlig gefühlskalt hinein warf. Doch welch Pech, ich stolperte dabei über etwas (seinen Schwanz? meinen eigenen Rockzipfel? oder einfach nur eine Wurzel?) und fiel selbst in das Erdloch. Ich kam direkt neben der Hundeleiche, die immer noch alle Viere steif von sich streckte, zu liegen. Ich war schon achtzig Jahre alt und nicht mehr sehr rüstig, die Grube aber war so eng, dass ich mich nicht bewegen konnte. So musste ich dort unten neben meinem Opfer verschmachten, denn es war eine sehr einsame Gegend und zufällige Hilfe würde nicht vorbei kommen. Halbe Ewigkeiten lag ich, eingezwängt zwischen Erde und totem Hund, auf meinem Rücken da, Hunger und Durst plagten mich und vergingen wieder, ich wurde schwach, bis ich immer öfter das Bewusstsein verlor.
So fand ich - der ich auf dem gleichen Weg einher geschritten kam - die beiden frischen Leichen: den Hund und die Alte. Ich war ein gerontophiler nekrophiler Leichenschänder und, geil auf die Alte, sprang ich hinunter in die Grube und befriedigte mich auf alle mögliche Arten an dem alten faltigen Körper der Toten, die vielleicht einen letzten Rest Körperwärme verströmte. Als ich genug hatte, sprang ich auf der anderen Seite der Grube wieder hinauf und setzte meinen Weg durch den Wald fort. Eine Weile war ich noch von meiner Tat berauscht, doch dann brach das entgegengesetzte Gefühl ein, ich wusste es nicht einmal zu benennen, doch war es eine schreckliche Pein. So ging es dann mit meinen Gefühlen hin und her, bis ich wahnsinnig wurde! Von den Schrecken der Erinnerung an meine eigenen grausamen Taten verfolgt, lief immer weiter geradeaus, bis ich schließlich aus dem Wald heraus gelangte an eine tiefe, tiefe Schlucht. Dort stürzte ich mich ohne Zögern hinab. In dem langen Fall bereute ich meinen Selbstmord zwar kurz, vielmehr aber fühlte ich mich befreit und genoss den Sturz, auch wenn es mein letzter Lebensakt war. Unten prallte ich in einem seichten Moor auf. Obwohl der Untergrund weich war, zerschmetterte mein Körper aufgrund des hohen Falls in dieser vielleicht zweihundert Meter tiefer liegenden Schlucht.
Ich - ein Räuber, der gerade den unten durch das Tal sich schlängelnden Weg einher spaziert kam - welch Freude ergriff mich, als ich den gerontophilen, nekrophilen Leichenschänder, meinen Erzfeind, leblos vor mir auf der torfig dunklen Erde liegen sah. So unverhofft war er gestorben, ohne dass ich hätte einen Finger dafür krümmen müssen! Endlich gehörte das Tal mir ganz allein! Hier lief ich in meinen nostalgischen Räuberkleidern herum, ein großer schwarzer Schlapphut tief in die Stirn gezogen, ein mächtiger Vollbart schmückte mein Gesicht und in meinem Pistolengürtel steckten nicht zwei, nein, vier große Räuberpistolen! Mit jeder Hand zog ich eine heraus und schoss aus reinstem Vergnügen meine große Kugeln in den Kopf des Toten, zwei mit dem einen und zwei mit dem anderen Pistol.
Ich war der rücksichtslose Raser auf der Autobahn.
Ich war die böse Hummel.
Ich war die unschuldige Motoradfahrerin.
Ich war der dumme Hund.
Ich war die giftige Alte.
Ich war der perverse Wahnsinnige.
Ich war der einsame Räuber.