von LeBoef » 21.09.2016, 00:40
Liebe TrollJenta,
Danke für die Beschreibung, auch deiner Gefühle zu den Träumen.
Ich würde auch gerne ein paar Überlegungen zu deinem Traum anstellen..Auffallend fand ich, dass die Träume wohl so stark auf dich gewirkt haben müssen, dass du davon aufgewacht bist, zudem, wenn sich einzelne Traumsequenzen wiederholen, sind sie sicher von großer Bedeutung für deine Lebenssituation. Es ist schade zu hören, dass du damit gerade nicht glücklich zu sein scheinst!
Hindurch eine Scheibe Kontakt mit dem Erschreckenden und Hilferufenden aufzunehmen, könnte eine Art Anzeichen für das schleierhafte Wahrnehmen von Gefühlszuständen, Situationen, oder der Aussenwelt sein. Jemanden, wie durch eine Scheibe hindurch wahrnehmen, nicht in direktem Kontakt stehen wollen, oder können, mit einzelnen Dingen. Es handelt sich hierbei in deinem Traum um Dinge, welche heftigste Gefühle auslösen: Der vermummte Mann, der dich vom Badezimmerfenster aus erschreckt, evtl ekelt, ist das Erschreckende in einer Umgebung, die dir eigentlich immer zur Reinigung gedient hat...oder was verbindest du mit dem Badezimmer? Ist es für dich auch ein Ort der Entspannung, wo du Ruhe vor der Welt hast, oder ein Ort an dem du dich ungestört mit dir auseinandersetzen kannst? Du dir dich ansehen und deiner annehmen kannst? Wo du Dinge loslässt, oder entfernst?
Die Orte in ihrer Bedeutung für dich zu entdecken, ist denke ich sehr hilfreich, um ein Verständnis des Traumes zu bekommen...
Der Mann ist vermummt, vermutlich ein Anzeichen von ungefährer Unkenntlichkeit, es ist nicht ganz klar, worum, oder um wen es sich handelt. Vielleicht auch etwas völlig Fremdartiges, das dir Angst macht. Was an deiner jetzigen Situation, drängt sich dir auf- erschreckt dich? lässt dich nicht zufrieden, vor allem an einem Ort, wo du dich zb. sicher fühlen müsstest? Welchen Weg könnte dieses Erschreckende, Aufdringliche sonst nehmen, damit du reagierst? Damit es dich antreffen kann? Muss es diesen Weg nehmen, um dir deutlich zu machen, dass es dringend deine Beachtung braucht? Deine Reaktion?
Dein Erschrecken geht so weit, dass du erwachst und dir die Hand am Nachttisch anschlägst: Du nimmst einen körperlichen Schmerz wahr - vielleicht ist das eine Botschaft, die mitschwingt: du spürst konkret, und was, deine Hand: die Möglichkeit ein Fenster zu öffnen? Die Möglichkeit empfindend zu handeln? Deine schmerzende Hand spüren; eventuell auch das Schmerzliche am Gefühl des Nicht-Handelns.
Nun leitet dein Traum aber über in eine Sequenz, die eine abhängige Folge der ersten darstellt...
Der Ort ändert sich: du befindest dich in deiner Küche: wieder: was für ein Ort ist das für dich- womit verbindest du ihn? Wie fühlst du dich hier, was tust du dort? Ist es ein Ort der Wärme, oder Hitze des Kochens ? ein Ort der Geselligkeit? usw.
Das Fenster ist beschlagen, je nachdem ob du ein sehr verbaler Typ bist, könnte das schon ein Zeichen der Überleitung, von der ge-oder beschlagenen Hand sein, hin zum beschlagenen Fenster. Aber auch ein Anzeichen einer Wandlung des Gegenstandes, der dahinter liegt: das Kind, das um Hilfe ruft.
Evtl versucht der vermummte Mann es noch einmal anders: bzw. der erschreckende Gegenstand ist nun ein ebenfalls beunruhigender, aber einer, der um Hilfe ruft: einer, der sich wehrlos zeigt und deine Annahme braucht.
Vielleicht ist, was groß und erschreckend wirkt, eigentlich nur das kleine Hilflose, das uns mutig erleben möchte. ( Ich werde noch was Passendes von Rilke hierzu anhängen) Du greifst, durch die vernebelte, bzw. nicht einsehbare Zone und entdeckst dort das Kind, welches du auf den Arm nimmst: du nimmst dich ihm also an. Siehst, dass du was tun kannst, dass du dem Erschreckendem, was eigentlich ein Erschrecktes sein könnte, Hilfe leisten kannst. Du lässt es an dich heran.
Danach bist du wieder wach geworden und du spürst eine Wärme in der Herzgegend. Ein Teil von dir fühlte sich angenommen, durch die Handlung im Traum. Nimmst du dich der Sache an, dir selbst, wie du dich erschreckst, oder erschrocken bist. Es geht um einen Verinnerlichungsprozess, denke ich. Eine Wandlung in der Wahrnehmung. Und wie es scheint greift das in die Realität schon jetzt spürbar ein. Du erlebst es nicht nur bildhaft, sondern fühlbar.
Ich hoffe, diese Ideen, helfen dir bei deiner Suche weiter...
Hier noch der versprochene Rilke-Satz: (Rainer Maria Rilke- Briefe an einen jungen Dichter)
"(...) Wir müssen unser Dasein so weit es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muss darin möglich sein. das ist im Grunde der einzige Mut, den man von uns verlangt: mutig zu sein zu dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Unaufklärbarsten, das uns begegnen kann.(...)"
"(...) Wie sollten wir jener alten Mythen vergessen können, die am Anfang aller Völker stehen; der Mythen von den Drachen, die sich im äußersten Augenblick in Prinzessinnen verwandeln; vielleicht sind alle Drachen unseres Lebens Prinzessinnen, die nur darauf warten, uns einmal schön und mutig zu sehen. Vielleicht ist alles Schreckliche im tiefsten Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.
Da dürfen sie nicht erschrecken, wenn eine Traurigkeit vor Ihnen sich aufhebt, so groß, wie sie noch keine gesehen haben; wenn eine Unruhe, wie Licht und Wolkenschatten, über ihre Hände geht und über ihr Tun. Sie müssen denken, dass etwas an Ihnen geschieht, dass das Leben sie nicht vergessen hat, dass es sie in der Hand hält; es wird sie nicht fallen lassen.(...)"
Liebe Grüße!